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Angst

Sie ist die Fremde, die schon bald meine treue Begleiterin ist.

Bereits als Kind lernt ich sie kennen und hab sie seither nie vermisst.

 

Damals war sie noch klein, passend zu mir.

Heute ist sie gross, überragt mich - ein Ungetier.

 

Ihre Silhouette erblicke ich im grausigen Schattentheater an der Wand.

Die Gestalt dahinter, nie erkennbar, erscheint sie doch täglich in neuem Gewand.

 

Zwar ist sie nicht fassbar, aber trotzdem immer da.

Selbst schliess ich meine Augen, weiss ich sie ist mir nah.

 

An manchen Tagen belässt sie es bei einem Nicken von fern.

Auf mein Gesicht stiehlt sich ein Lächeln, ach wie leb ich doch gern!

 

Dann wieder ist sie so nah, dass es mich zu erdrücken droht.

Ich erleide Schiffbruch im Sturm des Lebens, ich stehe Auge in Auge mit dem Tod.

 

Jedoch;

​

Steh ich auf einer Brücke, ist sie das Geländer, das mich vor dem Sturz bewahrt.

Sie ist der Gurt, der mich fest und sicher im Sitz hält, bei rasanter Fahrt.

 

Ihr Dasein wird mir tagtäglich immer mehr gewahr.

Doch ihr Ziel kann ich nicht ergründen. Will sie mich beschützen oder gar verschlingen mit Haut und Haar?

​

Lieg ich nachts wach, flaniert sie intrigant durch mein Gedankenlabyrinth.

Dort malt sie mir aus und flüstert mir ein, welch Unglück der nahende Morgen bringt.

 

Begrabene Erinnerungen zerrt sie aus dem Sumpf des Vergessens und der Scham.

Das Grauen in meinem Kopf nimmt kein Ende und die Tränen brechen sich bahn.

 

Sie leistet mir Gesellschaft, selbst wenn ich nicht frag.

Sie weicht kaum von meiner Seite, obwohl ich sie nicht mag.

 

So stiehlt sie mir immer öfter die glücklichen Stunden,

zieht um mich wie ein Raubtier, immer enger ihre Runden.

 

Was ich auch versuche, es gelingt mir nicht ihr zu entrinnen.

Eine Flucht ist sinnlos und mein Herz droht allmählich zu zerspringen.

 

Ich muss etwas tun, schlimmer kann es nicht mehr werden.

Morgen werd ich mich befreien, selbst sollt ich dabei sterben. 

 

Wie es auch kommt, danach find ich meine Ruh,

und schliesse endlich friedvoll meine Augen zu.

 

Doch da ruft eine Stimme, "Der Kampf ist nicht dein!

Hast du mich denn schon vergessen? Ich trete für dich ein!"

 

Im nächsten Moment flutet Freiheit und Frieden meine Seele.

Nun preis ich meinen Herrn von ganzem Herz und aus voller Kehle.

 

Ein einziges Wort Gottes, das hat schon gereicht.

Er hebt die Last von meinen Schultern und die quälende Angst weicht.

 

Ein täglicher Kampf wird es wohl immer bleiben.

Doch mein Haupt werde ich nur noch vor dem Einen neigen.

 

Seine Gnade ist endlos und seine Liebe so inniglich,

Ehre sei dem Herr der Welt und gelobt sei er ewiglich.

 

C. Winter

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